18 / 02 / 07

Möchten Sie ein E kaufen?


Er hatte mal ein E verkauft. Nachdem er es auf einer Straße in Hildesheim gefunden hatte. Ein sauberes E in Arial black, DIN A4, ganz und gar ein glattes glänzendes E, nicht zerknittert. Es war ein KampagnenE, eines der Sorte Buchstaben, die in Hochglanzblättern auf mehrseitigen Kampagnen für ein neues unbedingt begehrenswertes Produkt herhalten müssen, eines der Kategorie E-Klasse oder Egoiste, beide ohne das E nicht sie selbst und nicht so glatt.
E-Klasse klingt nach Erhabenheit, Eloquenz und Eitelkeit, nicht so ergeben wie A-Klasse, die einfach nur nach Auto klingt. Nicht nach Ästhetik. Abfall hat seine eigene Ästhetik, Schimmel auch, aber die A-Klasse ist ohne Ästhetik und nichts für einen nach Egoiste riechenden E-Mann, der treibendes Benzin unter seinem A spüren will. Nun ist die E-Klasse inzwischen etwas aus der Mode gekommen und zeitgemäße E-Männer fahren wieder verstärkt BMW, doch das Egoiste bleibt, ist charakterfest und zeitlos.
Mit Egoisten verhält es sich nämlich so: sie können nicht ohne E. E potenziert das Ego, dafür lieben sie es, dafür leben sie es. Sie brauchen das E, weil es den Eigengeruch der Eitelkeit hinter dem Duft von Erhabenheit und Eloquenz vernebelt und verschleiert. E wirkt effizient, Egoismus im allgemeinen ist sehr effizient.

Er hatte mal ein E verschenkt, nachdem er es auf einer Straße gefunden hatte. An einen traurigen kleinen Jungen auf einer Straße in Hildesheim. Gefreut hat er sich, der kleine Junge, denn nun hatte er ein schönes großes E auf einer DIN A4-Seite in arial black.
Und später benutzte er auch ab und zu mal Egoiste. In Maßen.

17 / 02 / 07

...


Eines Tages wird er...

Nein. Nicht einmal würde.

Nur eine Zeile aus einer anderen Zeit.

Längst abgedichtete Pfarrhausdachschäden.
Manchmal frischt der Wind allerdings etwas auf...
Und es weht in den Ziegeln.
Halten aber ganz gut.
An dieser Stelle empfehle ich die Filmographie Ingmar Bergmans.

Nobody wants him
He just stares at the world
Planning his vengeance
that he will soon unfurl






Und auch wenn ihm sein Leben manchmal wie das dünne Eis eines zugefrorenen Sees erschien, brach er doch nie ein.
Seine Freunde schenkten ihm ihre Schlittschuhe.

Und ich verschenke sie gerne weiter.

So anytime somebody needs you, don't let them down, although it grieves you,
Some day you'll need someone like they do, looking for what you knew.






Der erste blaue Himmel in diesem Jahr.
Möchte vielleicht jemand ein Stück?
Schmeckt ganz unwiderstehlich!

Na?






the cardigans - iron man (in der zuckersüßen Kaffeeundkuchenmusikversion)
led zeppelin - friends

15 / 02 / 07

Fast eine Kindheit


1972 kehrt er nach sechs Jahren mit seiner afrikanischen Frau nach Deutschland zurück, er hat Heimaturlaub und in den Kinos laufen in ausverkauften Vorstellungen Filme mit Titeln wie "Schulmädchen-Report".

Als ich sechs Wochen alt war, wurde ich in ein Flugzeug gesteckt und nach Afrika geschickt. Ganz nach unten. Es dauerte ein paar Jahre um herauszufinden, dass es meine Eltern waren, die mich während meiner Reise begleitet hatten und dass meine Eltern es waren, mit denen ich unter Heiden im afrikanischen Busch lebte, die der weiße Herr Gott gerne unter seine Fittiche genommen hätte. Weil er das nicht ohne weiteres konnte, erklärte sich mein Vater dazu bereit, elf Jahre seines Lebens mit Schamanen und allerlei black magic um das Seelenheil der damals noch in Reservaten gehaltenen Afrikaner zu verhandeln, was ein wenig absurd klingen mag, da der Gott der Kirche meines Vaters ganz zufällig derselbe war, dem in den Kirchen der weißen Afrikaner gehuldigt wurde.
Mich kümmerte das nicht weiter, und ich verbrachte meine frühe Kindheit unbeschwert mit den schwarzen Nachbarjungs beim Wettweitpinkeln und Bäumeklettern, wie es im Rest der Welt wohl auch nicht anders gewesen ist.

Ich wusste jedoch nicht, dass es in Deutschland anscheinend nur weiße Kinder gab, was mich in der ersten Zeit unserer Rückehr etwas irritierte, und ich wusste auch nicht, dass deutsche Kinder Afrika nur aus Tarzanfilmen kannten. Wenn ich erzählte, dass ich in Afrika aufgewachsen bin, wurde ich in harmlos interessierten Fällen gefragt, ob ich mit Lendenschurz bekleidet unter Affen aufgewachsen wäre und ob ich mich an Lianen von Baum zu Baum schwingen könnte. Ich musste das zu meinem Bedauern verneinen, ich hätte ja schon gerne ein paar Kunststückchen am Seil vorgeführt, aber auch in Afrika fahren Familien mit dem Auto. Diese Tatsache verblüffte, noch mehr verwunderte die meisten allerdings, dass meine Mutter keine dunkle Hautfarbe hatte. Die Sache war klar, der Neue in der Klasse konnte nicht in Tarzanland gelebt haben und da Kinder sich nicht gerne ausgeschlossen fühlen, vermied ich es, weiterhin Worte über Afrika zu verlieren und begann nach und nach meine ersten fünf Lebensjahre zu verdrängen.
Sechs, um genau zu sein, die Ehe meiner Eltern hielt nicht, meine Mutter wurde depressiv, Deutschland war so grau. Wenn ich an meine Mutter in der Zeit denke, sehe ich eine von dichten langen dunkelbraunen Haaren eingefasste Sonnenbrille und einen langen schwarzen Mantel, zugeknöpft. Sie ging mit meiner eineinhalb Jahre jüngeren Schwester zurück in das Land, das ich allmählich nur noch in den Graustufen eines Schwarzweiß-Fernsehers wahrzunehmen begann, in denen ein schätzungsweise blonder Johnny Weissmüller mit einem Affen und einer ganz höchstwahrscheinlich blonden Jane unter Elefanten lebte.

Die Briefe, die sie mir schickten, waren Briefe von zwei Fremden und mit der Zeit kehrte die Erinnerung zurück, nicht das Gefühl. Das Gefühl brauchte Zeit. Und es war meine Schwester, auf die ich mich freute, als ich vier Jahre später zum ersten Mal wieder auf einem Flughafen in Afrika stand und nicht wusste, ob ich meine Mutter umarmen sollte.

Manche Dinge brauchen sehr viel Zeit, bis heute. Aber auch in Afrika gibt es Telefone und Internet, stellen Sie sich das bloß mal vor.

Tod im Morgengrauen


Milch vergessen , im Kühlschrank nur Kadaver.


slint - good morning, captain

14 / 02 / 07

Kirschsaft


Pauschalisierend gesagt sind Arzthelferinnen die Groupies unter den Arbeitnehmerinnen.
Ziehe einen weißen Kittel an und schon gibt's ein Mon Chéri.
Widerliches Zeugs.
Gesten aus dem Mittelalter der Sexualisationspraxis.

Ich sollte vielleicht Medizin studieren.


new model army - white coats (aus der Abteilung Erinnerungswochen)

Fischmusik


Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden...

Mit der Berliner Ringbahn zu fahren ist nicht immer leicht, ein Karussell der Finsternis und der Trübsal, in dem Gedankenwelten Tausender in den Waggons Platz nehmen, zusammengepresste Sardinen. Kaum einer sagt ein Wort, nur Blicke sprechen die Sprache der Träume der Rentner, Arbeitslosen und Hartzmenschen, und auch die Blicke der Studenten und der wenigen verbliebenen Erwerbstätigen sprechen von Wünschen und Enttäuschungen, jeder Augenaufschlag ein unausgesprochenes Gefühl, jeder Blick durch die Fenster eine Flucht.

Blicke, die die Sprache der Frustration und der Sehnsucht unter Kopfhörern verstecken wollen und durch die Droge Musik jedem zugänglich werden.
Die Hure Walkman, sagte mal jemand, als es noch Kassetten gab.

Sardinenmusik, Ich kann nicht mehr ohne sie. Sie hilft mir die Gedanken der anderen zu vergessen, sie hilft mir den Lärm der Rentnerausflüge und Schulklassen und der Prolos zu ignorieren.





Diese Musik stammt noch aus der Zeit, in der Susumu Yokota hauptsächlich mit akustischen Instrumenten so etwas wie Ambient produzierte. In dem Booklet zu der CD schreibt er unter anderem, dass einige der Stücke die Ergebnisse bewusst unternommener Kokainexperimente seien, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt.


susumu yokota - kaiten mokuba
radiohead - Packt like sardines in a crushd tin box

12 / 02 / 07

Verwählt


Sie hat mich manchmal angerufen, am Abend, wenn es Sommer war und die Fledermaus durch die offenen Fenster im Innenhof huschte. Am Abend, wenn Ginsberg und Burroughs Lee und Thurston in die Hälse bissen und ihre Gitarren zum Bluten brachten, war es Sommer in der Schwärze einer Telefonmuschel, deren Biss mein Ohr so gern erlag.

Eine Szene aus allen französischen Filmen aus dem öffentlich-rechtlichen Nachtprogramm. Verwählt. Eine Nummer einer gemeinsamen Bekannten ohne dass wir uns kannten führte sie zu mir und ließ sie erzählen, reden und schweigen. Manchmal hat sie mich angerufen, sie hat sich manchmal am Abend verwählt, wenn die Dunkelheit sie zum Hörer greifen und erzählen ließ.

Zwei Unbekannte mit einer gemeinsamen Bekannten, auf deren Party sie ihren neuen Freund kennengelernt hatte, der meinen Namen trug und die gleichen Instrumente spielte.

Nur eine Stimme.

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sonic youth - karen koltrane / small flowers crack concrete

11 / 02 / 07

Lichter der Straße


Spiegelglatt. Die Mitbewohnerin nimmt keine Rücksicht auf meinen Unwillen und will in der Pampe da draußen spielen und alles vollpampen. Soll sie doch, meinetwegen, in solchen Momenten kenne ich sie nicht. Das letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist gesprächsbedürftige Hundebesitzerkonservation, am schlimmsten sind die mit den Welpen.

Welpe schnüffelt an einem frischen Haufen Hundepampe, Halterchen sagt "Haha, erstmal ein bisschen Zeitung lesen, mal schnüffeln, wer schon alles da war".
Schnauze.
Hundehalter sind eh mit Vorsicht zu genießen, viele haben letztendlich einen Schaden und schließen sich schließlich zu Hunderundecliquen zusammen, in denen sie zweimal täglich über Hundescheiße, Hundeschulen und Hundeschlägereien schwätzen.

Aber das ist gar nicht das Thema und hat mit dem Video nichts zu tun. Das Video ist ein Versuch zu elektronischer Musik einen Text aus den Lichtern der Straße zu schreiben und ich zeige es deshalb, weil ich diese Musik noch nie mit Lichtern assoziiert habe. Diese Musik ist eine der schönsten, die autechre jemals gemacht haben, zu finden auf der tri repetae, das einen sehr zugänglichen Einstieg in die Musik autechres und generell in elektronische Musik bietet. Die Bilder, die gerade "eutow" in mir entstehen lässt, sind erzählender und eindeutiger, kurze indifferente punktlose Dramen und Roadmovies ohne Anfang und Ende, ein surreales bebildertes Kreisen. Jemand anderes würde zu dieser Musik wiederum Wellenberge oder Bilder aus der Vogelflugperspektive zeigen. Und jemad anderes wieder etwas ganz anderes, worauf ich niemals käme.

So, Augen zu und Bilder an. Musik ohne Worte, luzides Träumen.


10 / 02 / 07

and if I die today...


...I'll be the happy phantom


Bin schönscheißfaul heute.
Und deshalb ist jetzt nichts besser als entspannte Kaffeeundkuchenmusik.
Ich werde alt. Wie schön. Endlich.


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nirvana - plateau



tori amos - happy phantom

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Online seit 6939 Tagen
Zuletzt aktualisiert: Oktober 21, 07:47

...
building buildings
everything in its right place
forget everything and remember
girl boy
nothing
offbeat
speed of sound
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time, it's time
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