07 / 02 / 07

Schlummermodus


Irgendwann ist ein Stadium der Müdigkeit erreicht, in dem einem nicht viel bleibt, als sich mehr und mehr gehen zu lassen und sich nur noch auf seine Wahrnehmung zu reduzieren.
Es ist ein Zustand des Wachens und des Träumens, der mir behagt, Denken ist nicht notwendig, Text gleitet ungefiltert über Netzhaut und Trommelfell, über Haut und Haar, wird aufgesogen und assimiliert. Vive la Trance.
Mir gefällt das Wort Schlafmohn, Mohn für sich ist schon ein wunderbar warm tönendes Wort, dessen Farbe gar nicht anders als rot sein kann. Tiefes warmes Rot, das ein leises und dunkles ist und in eine blühende Schwärze hinabgleitet, die keine dunkle ist. Mohn ist der Zustand hinter vor Müdigkeit zugefallenen Augen, wenn die Erschöpfung des Tages sprudelnder Schläfrigkeit weicht, die die Trailer des kommenden Traumschlafes auf der Leinwand geschlossener Lider vorführt.
Nicht wachend und nicht schlafend zappe ich mich im Schlummermodus durch die bewegten Bilder meiner Unbewusstheit.

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king crimson - starless (red)

Giftspritze




and I think I need a little poison

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throwing muses - bright yellow gun

06 / 02 / 07

Delay


In der letzten Nacht träumte ich von Dir und schaute heute in Dein Gesicht und fand keinen Traum.
Nur eine Erinnerung, wie ich mir einbilde.
Für einen Moment nur.
Einen nur.

Erinnern.
Hallendes Nichts.


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black sabbath - fairies wear boots

04 / 02 / 07

Kassettenmenschen


Autofahren, Autofahren, Autofahrer haben spezielle Compilations, die ihnen das Autofahren verschönern. Früher hieß das Mixkassette. Oder überhaupt Kassette, Kassetten wurden zu jedem Anlass hergestellt, sei es für die nächtliche Fahrt zur Dorfdisco, die je nach Standort des Stalls bis zu einer Stunde dauern konnte. Die Orte hießen dann zum Beispiel Hützel oder Riepe - oder wenn es uns furchtbar langweilig war, Wehldorf - und je nach Ortswahl wurde im Auto das Hützel- oder Riepe-tape (für Wehldorf gab es keines) gehört, wegen Einstimmen und so.

Oder sei es für die tägliche Fahrt zur Schule, die in meiner Abizeit zu den Highlights des Schultages gehörte, weil unser Chauffeur zwischen zerfetzten Tabakbeuteln, Papers und allerlei ranzigen Fastfoodverpackungen stets wunderbare Kassetten im Handschuhfach zu liegen hatte. Die Macht über die Auswahl des Guten-Morgen-tapes hatte allerdings unser Chauffeur, der je nach psychischer Verfassung entweder das Sisters of Mercy-tape oder das andere Sisters of Mercy-tape durchlaufen ließ, was mich nicht sonderlich störte, weil es unendlich besser war, fünf Tage hintereinander zweimal täglich "This Corrosion" zu hören als den Schulbus nehmen und 30 Minuten pubertierendes Geschrei ertragen zu müssen. Die meisten Verletzungen fügen sich Kinder übrigens in Schulbussen zu. In den drei Jahren morgendlicher Oberstufenschulfahrt lernte ich allerdings nicht nur die Sisters und Andrew Eldritch besser kennen, sondern auch Phillip Boa und die damals und noch Jahre danach hierzulande unbekannten Goo Goo Dolls, die zu der Zeit noch weitaus roher und punkiger aufspielten als in den letzten zehn Jahren. Mit den Goo Goo Dolls reiste ich Million Miles Away über den Road To Salinas und sagte zu ihr There You Are, um ihr zehn Lieder später vor Liebe kummernd Two Days in February vorzuhalten. Kassettenmädchen gab es ja auch. Stuckrad-Barre zum Glück noch nicht, obwohl seine Geschichte über das Kassettenmädchen schon doch eine schöne ist, doch doch.

Es gab auch ganz andere Autofahrer-Kassetten, Kassetten, die nur des Autofahrens willen bespielt wurden, zu deren Musik in Landstraßentempo Freunde eine Landpartie an milden Spätfrühlingssonntagen veranstalteten. Erinnerst Du Dich noch an das Brandloch, das ich überbekifft in Deinen Teppichboden brannte, als wir beschlossen alle sechs Doors-Platten hintereinander zu hören und genüsslich hysterisch lachend Jimbos Drogilyrik rezitierten? Father, I want to kill you, Mother I want to fuck you. Und an die Angst? Angst vor dem elterlichen Stress, wegen neuem Teppichboden und so. Inzwischen bist Du wahrscheinlich genauso spießig wie sie es waren, ich weiß es nicht, weil ich Dich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen habe, aber der Spießer in Dir, der lebte damals schon, heimlich und verschlagen, genährt und am Leben gehalten von Deinem Bedürfniss nach Statuserlangung. Und doch war da etwas an Dir, in Dir, Deine Kassetten im gesaugten Handschuhfach haben verraten, worüber Du genüsslich gelacht hast, Deine Lakaien haben verraten, was Du Deinen Freunden nicht erzählt hast.


Ocean wide, ocean wide
Calming down at last
Listening to the changing tides
Drawn to the past




deine lakaien - mindmachine

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sisters - black planet (es war ein Passat, damals, Schule)


sisters - dominion (und das hier kann ich gar nicht laut genug hören)

uh huh her


Sie ist überhaupt nicht perfekt, ihr Hals zum Beispiel ist nicht so zart wie der der anderen. Und auch ihr Bauch oder ihre Hüften fassen sich anders an, sind weniger gerundet, weniger geschwungen. Das Leben ist an ihr nicht spurlos vorbei gegangen, Narben und Risse auf ihrer Haut haben ihr zugesetzt und an ihrem Kopf ist so eine Stelle, wie retuschiert.
Nein, gut behandelt ist sie nicht immer worden, doch innen, in ihrem Innersten ist sie heil und unversehrt...

Ich kenne sie seit gestern. Sie ist ein leichtes Mädchen und auch dafür liebe ich sie jetzt schon. Und wenn sie so schnurrt und summt, dann ist es wie SIngen.

Und ihr Hals ist nicht so zart und nicht so weich und doch...


telecaster

uh huh her

31 / 01 / 07

Ihre Hand


Marimba und Oud lullen mich ein, geben Händen hinter Tresendünsten den Takt vor, der sie haltlos Ziegenkäse und Salat einrollen lässt. Ich muss noch warten. Schlüpfe durch das Glas in den Türspalt, in dem eine Hand Kartoffeln schält, eine Hand, die geschickt der Frucht die Haut abzieht, dass ich nicht wegsehen kann. Meine Augen liegen auf der Hand, die schält und schneidet, meine Augen greifen die Hand und schälen die Frucht, schneiden das Fleisch, schlagen den Rahm. Hand in Hand. Es ist ihre Hand, ihre Hand, die mir am anderen Morgen von Saxophon und gestrichenem Besen geführt Zucker anbietet, Zucker, den ich nicht will. Ich wollte noch nie Zucker. Als ob sie es vergessen hat, der Worte willen. Worte, Worte, Worte, ein Herz aus Schaum und ein Lächeln im Raum, der nicht uns allein gehört und doch der einzige Raum ist, in dem Schäume nicht zergehen und Träume bleiben, die uns allein gehören.
Die Hand hört auf zu schälen, drückt die Klinke und der Raum zergeht, im Türspalt ein Mann mit schönen Händen.


forget everything and remember > video

28 / 01 / 07

A Grey's Anatomy


Mein Kühlschrank ist mit Milch gefüllt. Zwei volle Milchtetras dösen in unangetasteter Stasis im obersten Regal, zwei stehen wiederverschlossen in der Tür und eher abseits von ihnen eine dritte, von der ich nicht wissen will, ob ihr letzter Schluck noch hält. Auch weil sie sich bläht, sich blähende Verpackungen waren mir schon immer unheimlich.
Es ist entsetzlich grau heute draußen, an solchen grauen Sonntagen brauche ich jeden Schluck Milch, der mir noch bleibt, weiße Milch im schwarzen Kaffee. Ein Sonntag ohne Milch ist ein schwarzer Sonntag, Sonntage, an denen ich nach dem Aufwachen den Kühlschrank öffne und keine Milch sehe, sind zunächst sehr schlimm.
Grau. Der Himmel sieht wie Hamburg aus, und die Luft ist so nass wie Bremen. Farben gibt es nicht, nur Grau in allen Sorten, Graustufen bis zum Horizont, der zum Greifen nah ist, so nah, dass ich auf ihm balancieren und mich abrutschen lassen kann, wenn ich es nur will. Ja, ich will.
Mich fallen lassen und nicht mehr landen, in grauen Mezzaninen schweben bis zum Exzess. Trägheit kriecht, samtig unter Grau singt sie von einem Tränentropfen, der Milch schwarz werden lässt und Ich falle, falle aufwärts, bin wieder außer mir im Tempodrom und tanze das Grau weg.

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massive attack - black milk / teardrop
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inertia creeps.


25 / 01 / 07

Andy where's my fifteen minutes


Da Andy tatsächlich dem Andy aus der factory so sehr ähnelt und dabei nicht mal Andy heißt, bedanke ich mich herzlich bei der Redaktion vom Datum für die Papier gewordene Aufmerksamkeit und bei Andy fürs Ambiente.



I can't read and I can't write down
I don't know a book from countdown

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tin machine - i can't read

23 / 01 / 07

nichts, verstärkt


Einen ganzen Abend Zeit für alle diese Welt und dabei nichts gedacht und nichts gesehen. Das Schmatzen der Mitbewohnerin ist spektakulär laut, richtig laut, laut lässt sie sich in die Kissen fallen. Guckt. Ich Gucke. Aus dem Fenster auf die Straße, die einen Knick macht. Das Licht hier ist scheiße, so jetzt ist es besser, sogar ziemlich gut. Alles ist ruhig, meine Nachbarn leben wahrscheinlich nicht mehr, nur noch ich in diesem alten brüchigen Haus, nur noch ich in dieser Straße, in dieser Stadt, alle weg und nie da gewesen. Musik hat es nie gegeben, ich weiß nicht was ich mit dem Knopf an der Musikkiste anfangen soll, unter dem Power geschrieben steht, kann ihn ja mal drücken. Stromkreise schließen sich, so laut wie ein Klopfen an der Tür. Noch ein Druck und noch einer und noch einmal und noch einer, ein und aus. Schalt mich ein, schalt mich aus, lass mich rein, lass mich raus. Gefüllter Aschenbecher auf alter Eiche unter brüchigem Stuck, irgendwo dazwischen ich, nur ich. Asche fällt.
Die Mitbewohnerin räkelt sich bauchfrei in den Kissen, ganz leise, alles von sich gestreckt zuckend und träumend, horcht auf, hört auf zu schlafen und niest so laut. Wieder Schmatzen. Ich gehe in die Küche, mache Wasser heiß und lasse kochen, gieße auf braunes duftendes Pulver, stark. Nachbarn kommen nach Hause, ich drücke den Knopf, ganz.

Verstärker

Status

Online seit 6939 Tagen
Zuletzt aktualisiert: Oktober 21, 07:47

...
building buildings
everything in its right place
forget everything and remember
girl boy
nothing
offbeat
speed of sound
streets
the village
time, it's time
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