Da standen sie nun und guckten und lauschten, ob die Brücke halten möge, aber das herauszufinden ist nun im Stehen ja gar nicht möglich und daher beschlossen sie auf ihr zu gehen.
Wir gingen dann in den Park und setzten uns auf einen Hügel, um die unlauteren Gewächse zu essen, die wir vorher unter einem Ladentisch in einer anderen Straße gepflückt hatten. Der Park war grün, und am Anfang saßen wir auf einer Insel, auf der junge blonde Männer mit haarlosen Oberkörpern in hochgekrempelten Jeans Boule spielten und der Sonne jeden Schein abzehrten. Sie bewegten sich wie bronzene Statuen und schauten geschmeidig umher, ob auch einejede gucke und auch ob einjeder hinschaue, denn sie ließen die Kugeln rollen, als wären sie leicht wie Bälle aus Federn.
Wir hielten es nicht mehr aus und bekamen einen irren Lachanfall nach dem anderen und warteten eigentlich nur darauf, die Metallkugeln auf unseren Gesichtsknochen zu spüren, weil die Statuen sich sichtlich ausgelacht fühlen mussten. Doch dafür waren sie zu erhaben und eitel genug, denn sie schauten umher, ob einejede gucke. Und unlauter wie wir waren, erhoben wir uns aus dem Inselgrün und wünschten den beiden noch einen schönen Tag und spazierten vondannen.
Das fließende Sonnengold der Insel ließen wir zurück. Als wir die Brücke überschritten hatten, war da keine Sonne mehr. Nur gleißendes Blau, dass das Baumgrün bräunte und später dann Beerenbüsche, deren Früchte uns neonrot anschrieen, weil sie nicht gepflückt werden wollten, wir hatten das auch gar nicht vor, denn das Schwefelgelb der Lichtung ließ unsere Augen in den Himmel wachsen, auf dem die soeben geschmolzene Sonne Feuerschweife spuckte, deren Röte im Ende der Zeiten züngelte.
Es wurde Zeit zu gehen und einen Weg zu finden, der uns an vertraute Stätten führen sollte, doch als der Weg uns gefunden hatte, wussten wir schon nicht mehr wer wir waren, und wir ließen uns im Schatten des Denkmals auf einem anderen Hügel in einem anderen Park nieder und sprachen grau über Sartre und Camus, als ob wir ihre Bücher geschrieben hätten. Und dabei fühlten wir uns selbst nicht mehr, denn um uns herum war nichts. Am Ende rauchten wir grün und waren froh darüber, nicht allein zu sein.
Es ist nicht so, dass ich nicht darüber nachdächte, und da gibt es wohl so ein Wort, das da immer mal wieder über meine Netzhaut hüpft, wenn ich nicht nicht darüber nachdenke.
Vielleicht tut es das auch nur, weil es ein ungesagtes ist.
Und innehalten und mich anstarren, weil, es weiß ganz genau, dass ich sowieso wieder in mich reingucken werde, weil in mir die Sicht vielleicht eine bessere ist, und es kennt mich sowieso zu gut und grinst mich an: Hallo, ich bin noch da, so leicht wirst Du mich nicht los, ich bin ein schönes kostbares Wort, das Du ruhig etwas näher betrachten solltest.
Dann denke ich mal nicht darüber nach und vor mir auf dem Bildschirm fangen trotzdem weiße Buchstaben das Schäumen an und bilden Spitzen auf blauem Pixelfluß.
Und ich wäre gerne woanders.
Sand im Haar.
Ich gehe ja gerne einkaufen. Ich könnte Stunden damit zubringen, zwischen den Regalen zu spazieren und abzuwägen, was ich bräuchte und was ich brauche. Meistens kaufe ich dann eher, was ich nicht brauche, jedenfalls nicht unmittelbar. Und erst später am Abend dann schaue ich noch beim Spätkauf vorbei, weil etwas fehlt, das ich brauche.
Einkaufen entspannt, trotz der Hausfrauen, die mit ihren Wägen die Kühlregale bewachen und erst auf ein harsches "Entschuldigen Sie bitte" Platz machen. Ich bräuchte ja nur eine Milch oder einen Käse, mehr brauche ich ja ja gar nicht. Sture Ziegen. Und trotz der rotgesichtigen Ochsen, die mit ihren Wagen vorm Bierregal die Gänge blockieren; bei denen hilft nur noch den Wagen zur Seite zu schubsen.
Aber sonst ist Einkaufen eine durchaus angenehme Einrichtung, bei der es sich prima beobachten und entspannen lässt, ich überlege dann, ob der Mann da in Mantel und Schal arbeitsloser Architekt ist oder gerade verlassen worden ist, weil er Weißbrot und abgepackte Wurst kauft, nachdem er zwei Jahre lang mit ihr vegetarisch gegessen hat. Einem Mitbewohner von mir ist das mal passiert. Als sie ihn nicht mehr wollte, kaufte er als erstes eine Palette Hansa-Pils und ein Glas Wurst, dazu Toast. Wir fuhren dann in einen Park und hatten Spaß und ich musste nie mehr von diesem eigenartigen Mango-Chutney probieren, das er immer lobte, weil sie es doch gemacht hatte.
Und die Frau da drüben, die ist vielleicht Studentin oder Mutti oder beides oder macht was mit Medien, jedenfalls kauft sie Karotten und dunkles Brot und sieht dabei unzufriedener aus, als sie sein mag. Beim Einkaufen kann man sich auch vergucken, das gibts auch, und eine Minute später erinnert man sich schon nicht mehr daran, das gibts auch.
Und neulich hätte ich dem vor mir an der Kasse zankenden Rentnerehepaar am liebsten in die Fresse gebrüllt, dass es sich doch bitte scheiden lassen möge, aber man steckt ja nicht drin.
"Frau Schmidt, einmal Ehe-Storno an Kasse 3"
An der Kasse stehen macht alles kaputt.
rainer werner fassbinder - liebe ist kälter als der tod