Das letzte Mal, dass ich zu jemandem sagte, ich fühle mich leer, nein, ich fühle mich irgendwie leer, das letzte Mal war vor zehn Jahren oder so. Sie antwortete das ist nicht gut. Weil das eine beschissene Antwort war, habe ich mich seitdem nicht mehr leer gefühlt, ich habe mich einfach geweigert, das geht, das ist nicht schwer. Außerdem ist es einfacher sich voll zu fühlen als sich leer zu fühlen.
Satt bin ich nicht.
Leer ist der Boden unter meinen Füßen und leer sind auch die Schalen mit Kirschtomaten und Erdbeeren, Erdbeeren eben. Leer ist eigentlich alles hier, weil ich nicht satt bin, wie kann ich auch satt sein. Eben.
Wenn es nur nicht so still wäre.
Mit geschlossenen Augen ist es vielleicht leichter still zu sein, hinter geschlossenen Augen ist alles ganz nahe, so nahe wie ein um einen kleinen Finger gelegter Silberstreif.
Mancher Tag wird erst durch einen Satz oder nur ein Wort zu einem Tag. Alles in den Stunden davor war nichts, war nicht Tag, war nur Zwischenzeit. In der woanders ein Mensch zu einem anderen einen Satz oder nur ein Wort sagt, das Tag wird. Tag ist kein schönes Wort eigentlich, day ist besser, vielleicht. make my day. Oder auch have a nice day. Tag ist so schwer, festgelegt, fast einfach, nicht wie Nacht, die Nacht, die lange Nacht. Ich sollte schlafen, jetzt, nun. Und finde mein Feuerzeug nicht. Gleich.
Wissen Sie, weißt Du, ein Tag kann beschissen leer sein, aber dann ist er kein Tag, wir, also ich und ich, wir stellen das nun fest, weil leere Tage nichts sind. Nichts. Wir lamentieren hier nicht über verstrichene Zeit, nein, wir jammern auch nicht. Ich verabscheue Gejammer, wer jammert, der klammert. Call it Sehnsucht oder desire stattdessen, nenn es Traum oder Wunsch, ich nenne es Realität, denn die Realität kann nicht ohne call it Sehnsucht oder desire sein, ohne Wunsch und Traum ist der Mensch nichts als eine elende Maschine.
Und vielleicht bin ich Maschine, weil ich Sehnsüchte und Träume habe, vielleicht funktioniere ich nur ihretwegen, sowas weiß man ja nicht mehr so genau, seitdem es Film und Fernsehen gibt, aber ich weiß, denke, glaube, dass ich meine Träume leben möchte.
Auf dem Meeresboden steht der Regen still, so still. Wie kann er sich auch bewegen, wenn jede einzelne Wolkenfaser erstarrt unter der Oberfläche schwebt, weil die Zeit für einen Augenblick unendlichen Seins gestorben ist. Die Welt steht still, als der Himmel explodiert und die Zeit für einen Augenblick ihre Unendlichkeit für mich lässt. Ich erzähle Dir davon, obwohl ich da ganz allein bin auf dem Grün des Meeres, ich sage zu Dir siehst Du es auch und schaue zu den Wolken unter der Oberfläche, wie sie so still schweben, so still. Und schaue, ob sich Leben auf ihnen regt, weil auch Wolkenträume einmal still stehen können. Du musst es einfach sehen, sage ich zu Dir, sieh doch, wie die Donnerfunken die Wolkenstille schneiden, bis aufs Blut, bis es regnet. Und vorher der Wind, der Wind, der sie alle das Fürchten lehrte und Plastikmöbel von Balkonen auf den Boden schmetterte, dass es nur so knallte und krachte. Später auf dem Grün dann hinter dem Sternendach ist da kein Wind mehr und wie kann da auch Wind sein, wenn die Zeit stirbt und der Regen still auf meiner Haut steht und ich zum Himmel schaue und sehe, wie sich von einer Wolke die Fasern lösen und im Sonnenlicht versinken.
And if that's really just what normal people do
Aren't you proud to be a freak
Ein schönes Lied mit schönen Gitarren. Im übrigen stelle ich fest: es gibt wieder Wind. Gäbe es keinen Wind, hätte ich mich vielleicht schon auf den Meeresboden zurückgezogen, wo es immerhin Wasser in Hülle und Fülle geben soll. Auch von Seepferdchen und Rochen und Seesternen wird berichtet. Die habens gut, die müssen nicht so schwitzen.
Aber immerhin, der Wind kommt zurück und ich sitze am offenen Fenster und warte.
Pollen, Pollen fliegen heute tief, vernebeln die Sinne, zerstäuben Gedanken, verdichten Gefühle. Lassen meine Nase jucken und röten meine Augen, ein bisschen nur, nicht unangenehm, eher reizend, angenehm sogar.
Pollen verschleiern den Weg vor mir, ich gleite tief durch einen Nebel von dichtem Blütenstaub, in dem ich versinken möchte, der warm und weich wie Schnee ist. Tiefer.
Softer, softer everywhere
Fingertips are burning
my bloody valentine - soft as snow (but warm inside)
Später erinnerten sie sich daran, wie sie entschwinden wollten, weg von hier und dort, nur weg, nur in Himmels Richtung, und sie sahen sich an und lachten, weil schon der Gedanke daran sie zum Lachen bringen konnte. Sie lachten viel, merkten es nur manchmal nicht, und sie sahen sich an und sahen sich selbst, wie sie in Sonntagsgarderobe aufeinander warteten, erinnerten sich an den Tag, an dem es zum ersten Mal hell war, taghell wie ihre Stimmen.
Und sie sahen sich an und erinnerten sich der Regenzeit, der Zeit des wochenlangen Regens, in der ihnen beinahe nichts weiter blieb als in einem bäumernen Haus Unterschlupf zu suchen, für Stunden zunächst, für Tage alsbald, es blieb ihnen beihnahe nichts anderes, sie wollten nichts anderes als miteinander den Regen zu zersingen.
Und wenn einer von ihnen durch den Regen gehen musste, dagegen konnten sie nichts tun, sie konnten nicht für immer in dem Baumhaus sein und wenn einer von ihnen durch den Regen ging, konnte er es nicht immer hören, dass da jemand war, der für ihn den Regen zersang. Der Gesang war dann manchmal nur spürbar.